Three-month artistic research project at Flutgraben e.V. & the Watchtower at Schlesischer Busch
In a series of talks and presentations the project brought together artistic, activist, documentary and theoretical materials and positions from and about the historical events of 89 in East Germany in an attempt to create a shared space in which the utopian and radical aspects of this period might re-emerge, ghostlike, at the borders and in the fissures of the official histories of the time.
A four-part series of talks, »Bleibe im Land und wehre dich täglich« The Experience of 89 as Political Resource, invited guests to discuss – from within their specific double positions as both protagonists and analysts/ historians – themes such as the (non-)role of art in the political events of 89, the (non-)continuity of East German critical practices into the present political landscape, and the domestication of 89 through the mechanisms of its historization.
The Research Station on the top floor of the watchtower, which formed the conceptual and logistical centre of the project, consisted of a combined work space/ archive built from old East German furniture in collaboration with artist Inken Reinert. On the middle floor of the tower works by invited artists as well as documentary materials were made accessible to visitors and passers-by in changing short-term exhibitions.
The project took place on invitation by the Flutgraben e.V. Guest Tutorship Programme.
Programme of Talks and Presentations:
Svetlana Boym “Phantasmagorias of History”
Exhibition, 11th – 13th June
Using images of moments of political upheaval and potentiality, Svetlana Boym’s Phantasmagorias conjure up sympathetic ghosts of multiple potential histories in an attempt to “brush history against the grain,” and to construct an alternative narrative for twentieth and twenty first century culture.
Opening of the Research Station and Artist Talk Inken Reinert
Friday, 25th June 2010
Inken Reinert has been working with components of old East German wall units which she assembles into sculptures – public installations that function as points of overlap between private and public, architecture and interior design. Last year, filmmaker Bianca Bodau accompanied her to different sites in East Berlin, where a mobile installation became the focus of conversations with passers-by. Most conversations, however, quickly took a turn for the predictably and uncritically nostalgic. Using passages from these recordings, the talk will centre on the question of how biographic rupture and social transformation might nonetheless be addressed against or through the lure of the nostalgic.
Tina Bara “Herbstmodell 1989/ 2009”
Artist Presentation, 10th July
In her recent “letter projects” Tina Bara revisits her own photographic work from 1989 and before, from a present perspective. Her piece “Herbstmodell 1989/ 90” were shown at the watchtower in conjunction with the talk „Kunst und 1989.“ (Art and 89) A Talk with Tina Bara, Claus Löser, Angelika Richter.
Elske Rosenfeld „The Table Was (Not) Round“
Artist Presentation, 31st July
A first edit of video material filmed at a „found re-enactment“ of the first meeting of the Round Table of the GDR on December 7th 1989, re-staged by some of the original protagonists upon invitation by the Evangelische Akademie on December 7th 2009.
Dreimonatiges Recherche-, Ausstellungs- und Veranstaltungsprojekt, Flutgraben e.V. & Wachturm am Schlesischen Busch
Das Projekt versteht sich als eine kritische Untersuchung und Intervention in die Gedenkprozesse zum 20. Jahrestag der Ereignisse von 1989/90. Aktivistische, dokumentarische und theoretische Materialien und Positionen werden in Präsentationen und Gesprächen zusammengetragen um den historischen Zeitraum 1989/90 noch einmal aufzusuchen, und der Frage nachzugehen, wie man sich dieser Zeit als Erfahrung einem bis dahin, aber auch seither so nicht gekannten Moment der Unterbrechung und politischen Teilhabe annähern kann. Es ist der Versuch eine (auch ästhetische) Sprache zu finden, in der die dieser Erfahrung innewohnenden Potentialität wieder sichtbar werden kann, ohne sich sogleich zu einem kohärenten Bild oder einer anwendbaren politische Strategie fügen zu müssen. Das Projekt versteht sich damit weniger als bloße Gegendarstellung oder Ergänzung zur Historisierung von 89, denn als ein Arbeiten an deren sprachlichen Formen, die immer schon Einhegung und oft genug Entradikalisierung der politischen Erfahrung von 89 sind.
Formate des Projektes waren die vierteilige Gesprächsreihe »Bleibe im Land und wehre dich täglich« Die Erfahrung von 1989/90 als politische Ressource, ein Programm künstlerischer Präsentationen und die Forschungsstation im Obergeschoss des Wachturms, die als konzeptuelles Zentrum von „Wachturm/ Gespenster“ zur Bearbeitung der in den Veranstaltungen generierten Fragen und Materialien diente.
Ein Projekt von Elske Rosenfeld im Rahmen des Gasttutorenprogramms des Flutgraben e.V.
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Ausstellungen und künstlerische Präsentationen
Svetlana Boym „Phantasmagorias of History“
Ausstellung, 11. – 13. Juni
Svetlana Boym hat sich als Theoretikerin umfassend mit der jüngeren Geschichte Osteuropas, z.B. mit der Perestroika, beschäftigt. Neben ihrem akademischen und theoretischen Umgang mit Geschichte arbeitet sie zudem künstlerisch mit Bildmaterial historischer Umbruchssituationen, wie Prag 1968, Moskau 1935, St. Petersburg 1991. Ihre Phantasmagorias versammeln die Geister jener anderen geschichtlichen Entwicklungen, die in Momenten des Umbruchs auch möglich schienen, aber nicht eingetreten sind.
Eröffnung der Forschungsstation und Gespräch mit Inken Reinert
25. Juni
Inken Reinert arbeitet seit einiger Zeit mit alten DDR-Schrankwänden, aus denen sie Skulpturen baut, die oft auch zum Zentrum öffentlicher Interventionen – zum Bindeglied zwischen öffentlich und privat, Architektur und Inneneinrichtung – werden. Die Filmemacherin Bianca Bodau hat Inken Reinert im letzten Jahr mit einer mobilen Installation nach Berlin Lichtenberg und Friedrichshain begleitet um mit Passanten ins Gespräch zu kommen, doch stellte sich heraus, dass das Sprechen über die Vergangenheit rasch ins Vorhersehbare, Nostalgische zu gleiten begann. Im Gespräch (mit Filmausschnitten) geht es also um die Frage nach den Schwierigkeiten, aber auch der Notwendigkeit und den Möglichkeiten, sich einem biografischen Bruch mittels oder trotz der Versuchung des Nostalgischen anzunähern.
Exkurs: Video „Mauerzerkleinerungsmaschine”
(Aufnahmen von Falk Blask, 1993, Loop, ca. 7 min )
1. Juli – 4. Juli
Der Berliner Ethnologe Falk Blask fertigte die Aufnahmen1993 in Berlin Rudow an, wo in einer Anlage verbliebene Mauersegmente gelagert, zu Brocken zerkleinert und schließlich zu 0,2 Millimeter kleinen Schotterstückchen zermahlen wurden. Das Video war im Rahmen von „Wachturm / Gespenster“ im Dialog mit der Veranstaltung MAUERSPUREN HEUTE. BEISPIELE, BEDEUTUNG, ERHALT mit Dr. Axel Klausmeier (Stiftung Berliner Mauer), Elske Rosenfeld (Projekt „Wachturm/Gespenster“) und Christine Brecht (Grenzläufte), Moderation: Dr. Elke Kimmel (Grenzläufte) zu sehen.
Tina Bara „Herbstmodell 1989/ 2009“
Präsentation, 10. Juli
Die Künstlerin Tina Bara stellt in ihren aktuellen Briefprojekten mit der gegenwärtigen Distanz Bezüge zu ihrem fotografischen Arbeiten von vor und während der Umbruchzeit 1989/90 her. Ihre Arbeit Herbstmodell 1989/ 2009 war parallel zu dem Gespräch „Kunst und 89“ im Wachturm zu sehen.
„Der Tisch war (nicht) rund“
Eine Videorecherche von Elske Rosenfeld
Präsentation, 31. Juli
Am 7. Dezember 1989 fand im Weißen Saal des Dietrich Bonhoeffer Hauses in Berlin der ersten Runde Tisch der DDR statt. Mit ihrer hier vollzogenen Einschreibung in eine Sprache der Legitimierung vollzieht sich ein erster Bruch mit den Forderungen der Straße, die sich gegen die Grenzen der Sprache selbst gewandt, sie außer Kraft gesetzt hatten. Als die Evangelische Akademie am 7. Dezember 2009 ehemalige Teilnehmer und Gäste in den Weißen Saal einlädt, um des 20 Jahre zurückliegenden Ereignisses zu gedenken, findet eine erneute sprachliche Einhegung dieser Ereignisse statt. In einer Nebeneinanderstellung von Videomitschnitten beider Ereignisse legen sich die beiden Zyklen der Versprachlichung übereinander. In ihrer Dopplung und Verschiebung werden Prozesse der Geschichtsschreibung sichtbar, es scheinen die Stellen auf, die aus der Geschichte herausgeschrieben wurden und heute nicht mehr adressierbar sind.